Eine Million Wohnungen stehen leer

Rund eine Million Wohnungen in Deutschland sind unbewohnt, obwohl der Druck auf dem Mietmarkt zunimmt. Experten sehen die Ursache unter anderem in zurückgegangenen Bauzahlen, gestiegenen Finanzierungskosten und Vorbehalten von Eigentümern gegenüber potenziellen Mietern.

Wohnraumnutzung und Leerstand

Nach Angaben des Pestel-Instituts leben etwa 1,2 Millionen Menschen in Deutschland allein auf einer Fläche von mindestens 100 Quadratmetern. Gleichzeitig stehen rund eine Million Wohnungen leer. Institutsleiter Matthias Günther sprach auf der Immobilienmesse „Expo Real“ in München von einem paradoxen Befund: Während es viel Wohnfläche gebe, herrsche gleichzeitig ein erheblicher Wohnungsmangel.

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) und Günther verwiesen auf die soziale und wirtschaftliche Bedeutung des Problems. Der Mangel an verfügbarem Wohnraum könne nach Einschätzung des Instituts die Stabilität des Arbeits- und Immobilienmarkts beeinträchtigen.

Neubauzahlen deutlich unter Plan

Die frühere Bundesregierung hatte 2021 angekündigt, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Laut Statistik lag die tatsächliche Zahl jedoch seitdem bei rund 250.000 Einheiten pro Jahr. Für 2025 erwarten Prognosen einen weiteren Rückgang auf etwa 200.000 Neubauten.

Ein zentraler Faktor ist der starke Zinsanstieg im Jahr 2022. Für Immobilienkredite mit zehnjähriger Zinsbindung mussten Käufer Ende 2022 knapp vier Prozent zahlen, nach gut einem Prozent im Jahr 2021. Steigende Baukosten verschärften die Situation zusätzlich.

Sinkende Eigentumsquote erhöht Mietdruck

Nach Angaben des Pestel-Instituts ist die Eigentumsquote bei 25- bis 45-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren von gut 30 auf knapp 26 Prozent gesunken. Über alle Altersgruppen hinweg leben 45 von 100 Menschen im Eigentum.

Der Rückgang führt dazu, dass einkommensstärkere Haushalte verstärkt zur Miete wohnen. Da gleichzeitig weniger Neubauten entstehen, steigen Neuvertragsmieten, und Umzüge werden seltener. Eine große kommunale Wohnungsgesellschaft meldete laut Günther im vergangenen Jahr bei 70.000 Wohnungen nur 20 Mieterwechsel.

Ursachen für Leerstand

Laut Statistischem Bundesamt stehen derzeit etwa 30 von 1000 Wohnungen in Deutschland leer. In Großstädten wie Hamburg, München oder Berlin liegt die Leerstandsquote unter einem Prozent. Etwa die Hälfte der leerstehenden Wohnungen ist wegen Sanierungen oder anderer Gründe vorübergehend nicht bewohnbar.

Der verbleibende Teil – rund eine Million Wohnungen – könnte nach Einschätzung Günthers grundsätzlich vermietet werden, wird aber nicht angeboten. Gründe sind etwa ungelöste Erbfragen oder die Zurückhaltung älterer Eigentümer, die aus Sorge vor Zahlungsausfällen oder Schäden nicht vermieten wollen. Besonders häufig betrifft das Eigentümer von Einliegerwohnungen.

Kommunale Ansätze und rechtliche Hürden

Zwangsmaßnahmen gegenüber Eigentümern lehnt Günther ab. Als Beispiel für alternative Strategien nannte er die Stadt Krefeld. Dort gibt es einen kommunalen Ansprechpartner für leerstehende Wohnungen, der Eigentümern Mietgarantien geben oder Objekte aufkaufen kann.

Darüber hinaus sprach sich Günther für eine Überprüfung des Mietrechts aus. Vermieter bräuchten nach seiner Ansicht mehr Möglichkeiten, bei ausbleibenden Zahlungen oder Schäden schneller reagieren zu können. Änderungen in diesem Bereich gelten in der Immobilienbranche als politisch schwierig.

Maßnahmen für mehr Neubau

Bundesbauministerin Hubertz warb auf der Messe für beschleunigte Bauverfahren. Sie setzt auf den sogenannten „Bau-Turbo“ und vereinfachte Gebäudetypen. Vertreter der Immobilienbranche äußerten Zweifel, ob diese Maßnahmen kurzfristig Wirkung zeigen.

Ludger Wibbeke, Geschäftsführer der Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansa Invest, verwies auf den sogenannten „Hamburg-Standard“. Durch den Verzicht auf bestimmte Extras konnten dort die Baukosten pro Quadratmeter von rund 4000 auf knapp 3000 Euro gesenkt werden. Er sprach sich dafür aus, erfolgreiche regionale Modelle bundesweit zu übernehmen.

Politische Bedeutung des Themas

Mehrere Branchenvertreter wiesen darauf hin, dass die Entwicklung am Wohnungsmarkt bei der nächsten Bundestagswahl eine zentrale Rolle spielen könnte. Günther sagte, eine anhaltende Untätigkeit könne den politischen Druck verstärken und das Wahlverhalten beeinflussen.