Auf dem angespannten Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten nutzen Einzelpersonen und Organisationen offenbar zunehmend rechtliche Grauzonen und gesetzeswidrige Methoden zur persönlichen Bereicherung. Recherchen des SWR-Investigativformats „Vollbild“ zeigen mehrere Fälle, in denen Wohnungssuchende mit unzulässigen Vermittlungsgebühren, verdeckten Zahlungen oder zweifelhaften Serviceversprechen konfrontiert wurden.
In Berlin-Schöneberg wurde eine Wohnung mit zwei Zimmern und 57 Quadratmetern für 1.400 Euro angeboten. Ein Makler, der unter dem Pseudonym Patrick auftritt, verlangte für seine Vermittlungsleistung eine zusätzliche Provision von knapp 2.500 Euro – obwohl laut Wohnungsvermittlungsgesetz der Auftraggeber, also die Hausverwaltung, die Kosten tragen müsste. Laut Angaben des Berliner Mietervereins wird bei etwa jeder dritten Mietwohnung in Berlin die Mietpreisbremse umgangen, indem möblierte Wohnungen zeitlich befristet vermietet werden. Weitere Details zur Mietpreisbremse gibt es hier auf einer spezialisierten Themenseite (mietspiegeltabelle.de – „Die Mietpreisbremse: Segen für den deutschen Wohnungsmarkt?“).
Systematisches Vorgehen über Plattformen
Patrick inserierte die Wohnungen über „kleinanzeigen.de“ und übernahm laut eigener Aussage die Kommunikation und Terminvergabe mit Interessenten. Die Provision kam offenbar der Hausverwalterin zugute, die ihn regelmäßig mit der Nachmietersuche beauftragte. Recherchen zufolge handelt es sich dabei nicht um einen Einzelfall.
„Vollbild“ wertete Tausende Inserate auf dem Messenger-Dienst Telegram aus und identifizierte Hunderte Angebote, bei denen ähnliche Vermittlungsgebühren verlangt wurden. Im Schnitt lag die geforderte Summe pro Wohnung bei rund 1.700 Euro.
WhatsApp-Gruppe mit Exklusiv-Zugang
In Hamburg entstand eine geschlossene WhatsApp-Gruppe, in der wöchentlich Wohnungsangebote gepostet wurden – nach Angaben von Mitgliedern insgesamt mehr als 150 innerhalb eines Jahres. Der Administrator der Gruppe, genannt „Chris“, soll bei erfolgreicher Vermittlung 1.000 Euro in bar gefordert haben. Die angebotenen Wohnungen stammten aus dem Bestand des Immobilienunternehmens Heimstaden, das in Hamburg über 4.500 Wohnungen verfügt.
Laut Chatverläufen, die der Redaktion vorliegen, arbeitete Chris mit einer Mitarbeiterin von Heimstaden zusammen. Diese soll Wohnungen bevorzugt an Gruppenmitglieder vergeben und ihnen teilweise einen mietfreien Monat eingeräumt haben, um gegenüber dem Arbeitgeber eine schnelle Neuvermietung darzustellen. Im Mietvertrag wurde die mietfreie Zeit offiziell mit Renovierungsbedarf begründet.
Heimstaden: Strafanzeige und interne Konsequenzen
Heimstaden teilte mit, die Mitarbeiterin sei entlassen worden. Gegen sie und zwei Administratoren der WhatsApp-Gruppe habe der Konzern Strafanzeige gestellt, unter anderem wegen des Verdachts auf Bestechung in besonders schwerem Fall. Lücken im digitalen Vertragsprozess hätten es ermöglicht, dass die internen Kontrollmechanismen umgangen wurden. Wie viele Personen für die Neuvermietung zuständig waren, ließ Heimstaden offen.
Laut den Chatnachrichten war die betroffene Mitarbeiterin zeitweise alleinverantwortlich für den Hamburger Wohnungsbestand. Das Unternehmen betonte jedoch, es gebe keinen Zusammenhang zwischen einer möglichen Überlastung und den festgestellten Vorgängen.
Kritik an Mieterhilfe-Verein
Organisationen, die offiziell Mieter unterstützen sollen, geraten ebenfalls in die Kritik. Ein Student namens Simon berichtete, er habe sich wegen einer defekten Küchenspüle an den Verein „Mieterhilfe e.V.“ gewandt. Für eine sofortige Unterstützung zahlte er einen Mitgliedsbeitrag von 123 Euro. Eine Reaktion blieb zunächst aus. Erst nachdem Simon die Zahlung zurückforderte, reagierte der Verein mit Mahnungen und Inkassodrohungen.
Rechtsanwalt Fritz Vollrath vom Mieterverein Heidelberg äußerte gegenüber „Vollbild“ den Verdacht, die Mieterhilfe arbeite wie ein kommerzielles Unternehmen, das die Struktur von klassischen Mietervereinen lediglich nachahme. Auf Bewertungsplattformen finden sich neben positiven Rückmeldungen auch zahlreiche Vorwürfe, etwa von „Abzocke“ und „Scam“.
Testlauf offenbart Defizite
Ein Selbstversuch der Redaktion ergab: Trotz eines auf der Website beworbenen Lösungsversprechens binnen 15 Tagen wurde einem neuen Mitglied mitgeteilt, dass eine juristische Beratung erst zwei Monate später möglich sei. Ein gemeldeter Wasserschaden blieb in dieser Zeit unbehandelt. Der Verein erklärte auf Anfrage, die Wartezeiten hätten sich zuletzt erhöht, die Website sei inzwischen angepasst worden – im Mai 2025 wurde jedoch weiterhin mit sofortiger Hilfe geworben. Die Satzung sieht eine Mindestmitgliedschaft von zwei Jahren vor.
Simon bleibt trotz der ausbleibenden Unterstützung an den Vertrag gebunden. Immerhin: Sein Vermieter hat die defekte Spüle inzwischen instand gesetzt.
Zur besseren Einordnung lohnt sich ein Blick in den Mietspiegel Berlin, der Informationen zur ortsüblichen Vergleichsmiete liefert und als Referenzrahmen für legale Mietanpassungen dienen kann (mietspiegeltabelle.de – „Mietspiegel Berlin“).
Fazit: Recherchen weisen auf mehrere systematische Methoden hin, über die Wohnungssuchende mit unzulässigen Gebühren und fragwürdigen Versprechungen konfrontiert werden. Der Blick auf offizielle Referenzdaten wie Mietspiegel fällt dabei hilfreich aus, um rechtliche Abweichungen zu erkennen und einzuordnen.