Strategie gegen Abwanderung und Schrumpfung im Erzgebirge

Mit gezielten Maßnahmen will der Erzgebirgskreis dem anhaltenden Bevölkerungsrückgang und einer schwachen Zukunftsprognose entgegenwirken. Die Wirtschaftsförderung der Region verfolgt dazu das Konzept einer sogenannten „Progressiven Provinz“. Dieses zielt darauf ab, die Region als modernen und zugleich traditionsbewussten Lebens- und Arbeitsstandort zu etablieren – wichtig angesichts regionaler Mietpreise, die laut aktueller Mietspiegeltabelle im Kreis Erzgebirgskreis bei rund 5,68 €/m² liegen.

Die Idee basiert auf dem Prinzip der „Glokalisierung“, also der Verbindung von globaler Ausrichtung mit lokaler Identität. Ziel ist es, Rückkehrer, Zuwanderer und Unternehmen für die Region zu gewinnen und ihnen Perspektiven zu bieten. Teil der Strategie sind unter anderem Kampagnen in Großstädten, die über das Welcome-Center bei der Integration unterstützen, sowie die Vernetzung regionaler Unternehmen mit Forschungseinrichtungen.

Beispiel aus der Praxis: Modulhausbau in Holzbauweise

Ein Beispiel für das unternehmerische Potenzial der Region ist das Unternehmen „Reset House“ des Gründers Philipp Siegel. Seit 2019 stellt der Betrieb in einem Ortsteil von Annaberg‑Buchholz vorgefertigte Modulhäuser her. Die Gebäude bestehen aus Vollholz aus der Region, werden möglichst ohne Klebstoffe, Folien oder Farben gefertigt und bereits mit Küche und Bad ausgestattet ausgeliefert.

Laut Siegel schätzt er die regionale Mentalität, in der Pragmatismus und Eigeninitiative vorherrschen. Er berichtet von einer wachsenden Zahl junger Selbständiger und dynamischer Handwerker, die trotz der Herausforderungen an der Region festhalten. Siegel selbst konnte bereits einen Kollegen vom Verbleib im Erzgebirge überzeugen.

Strategie der Wirtschaftsförderung

Die Wirtschaftsförderung Erzgebirge richtet ihr Handeln seit fünf Jahren an dem Konzept der „Progressiven Provinz“ aus. Ziel sei es, laut deren Vertreter Daniel Schalling, eine zukunftsgerichtete und zugleich heimatverbundene Region zu gestalten. Dies beinhalte auch die Darstellung von Erfolgsgeschichten und die Erinnerung an regionale Symbole wie die gekreuzten Hämmer aus der Bergbautradition.

Entwickelt wurde das Konzept durch das Zukunftsinstitut. Zukunftsforscher Daniel Dettling beschreibt das Modell als Ausdruck eines neuen Trends, bei dem ländliche Regionen durch Digitalisierung und neue Wohnkonzepte wie Clusterwohnen mit urbanen Zentren konkurrieren könnten. Er bezeichnet das Vorhaben im Erzgebirge als durchdacht und positiv gestaltet.

Demografie und Standortfaktoren

Trotz dieser Initiativen bleibt die demografische Entwicklung eine Herausforderung. Laut dem Zukunftsatlas des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos belegt der Erzgebirgskreis aktuell Platz 366 von 400. Die Prognose bis 2045 rechnet mit einem Rückgang um rund 70.000 Einwohner – bei derzeit rund 320.000 Einwohnern.

Für Schalling ist das kein Grund zum Rückzug. Er sieht die Region nicht als Problemzone, sondern als Raum mit Gestaltungspotenzial. Entscheidend sei, dass es weiterhin Menschen gebe, die sich aktiv für ihre Heimat einsetzen. Mit dieser Haltung will die Wirtschaftsförderung ihren Kurs beibehalten.

Auch Unternehmer wie Philipp Siegel teilen diese Sicht. Rückkehrer aus Städten wie Leipzig oder Dresden seien keine Ausnahme mehr. Der ländliche Raum werde zunehmend als Wohn- und Arbeitsort wiederentdeckt.