Jeder zehnte Mieter gilt in Deutschland als finanziell „überlastet“. Dieser Status ist dann erreicht, wenn mehr als 40 Prozent des zur Verfügung stehenden Einkommens monatlich für die eigenen vier Wände zur Miete ausgegeben werden. Das Statistische Bundesamt ermittelte in diesem Zusammenhang, dass Haushalte in Deutschland im Durchschnitt rund 23 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten bereitstellen müssen. Dabei besitzen steigende Mieten kaum Einsparpotential, da es sich um Fixkosten handelt. Die derzeitige Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt dürfte sich zudem in Zukunft abermals verschärfen.
Gründe für steigende Mieten
Für steigende Mieten gibt es einige entscheidende Gründe, welche sich auch in den nächsten Jahren hartnäckig zeigen und für eine Verschärfung der derzeitigen Wohn- bzw. Mietsituation sorgen werden. Der Trend zu Singlehaushalten, eine unerwartete starke Bevölkerungsentwicklung sowie der Rückgang im Bereich des Sozialwohnungsbestandes gehören zu den Hauptursachen für stetig ansteigende Mietpreise in Deutschland.
Der enorme Anstieg der Bevölkerungszahlen während der vergangenen Jahrzehnte trug dazu bei, dass der Wohnungsbau ins Hintertreffen geriet. So gingen beispielsweise Experten in den 80er-Jahren davon aus, dass Deutschland künftig eine abnehmende Bevölkerungszahl erfährt. Vor diesem Hintergrund erfuhr der sowohl öffentlich als auch privat geförderte Wohnungsbau zurück. Mittlerweile wird dem Wohnungsneubau ein überaus hoher Stellenwert beigemessen. Allerdings haben etwaige Fehlereinschätzungen aus der Vergangenheit dazu geführt, dass heute rund eine Million Wohnungen fehlen. Gleichzeitig reduzierte sich die Anzahl seit dem Jahr 1987 von 5,5 Millionen auf vergleichsweise knappe 1,5 Millionen. Angesichts gestiegener Energiekosten und geringen Gehältern steigt jedoch die Nachfrage nach Sozialwohnungen von Jahr zu Jahr stetig an.
Als ein weiterer Preistreiber gelten komplexe Baustandards für den Wohnungsbau in Deutschland. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind die rechtlichen Vorschriften wesentlich strenger gestaltet, wodurch höhere Baukosten nicht zu vermeiden sind. Hinzu kommen komplizierte technische Richtlinien, einzuhaltende Auflagen der Bauaufsichtsbehörden sowie ein enormer Koordinierungsaufwand. All diese baulichen Herausforderungen tragen zu hohen Immobilien- bzw. Mietpreisen bei.
Weiterhin hält der Trend zu Singlehaushalten an. In Deutschland sind es rund 41 Prozent aller Haushalte, in welchen nur eine Person lebt. Eine Umkehr dieser Entwicklung ist laut einstimmiger Meinung zahlreicher Experten bisweilen nicht in Sicht und führt dazu, dass viel Platz weggenommen wird. In diesem Zusammenhang dürfte die sogenannte Landflucht ebenfalls einen starken Einfluss ausüben. Insbesondere junge Menschen suchen in Groß- und Universitätsstädten nach Arbeit und/oder Bildung. Die Binnenwanderung aus dem ländlichen in den städtischen Raum wird durch den Wegfall der Wehrpflicht sowie einer zunehmenden Anzahl an Studierenden verstärkt. Vor diesem Hintergrund erhöht sich automatisch die Nachfrage nach kleinen und möglichst preisgünstigen Wohnungen, die es schlichtweg nicht mehr gibt.
So lassen sich steigende Mieten verhindern
Nicht nur in deutschen Metropolen, sondern auch in europäischen Großstädten gehören steigende Mieten mittlerweile zur Normalität. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, bedient sich die Politik den einen oder anderen regulierenden Maßnahmen.
So gelten beispielsweise ausländische Investitionen seit jeher als Zankapfel in Politik und Wirtschaft. Befürworter dieser Maßnahme verlangen für Bauland und Wohnimmobilien ein Kaufverbot durch ausländische Investmentfonds. Speziell die Bundeshauptstadt Berlin kämpft seit einigen Jahren gegen dieses Phänomen. Besonders strikte Beschränkungen gelten beispielsweise in Neuseeland. Führende Politiker Berlins wollen sich an dem dort etablierten Regelwerk orientieren.
Ein weiteres probates Mittel ist der Bau neuer Wohnungen. Speziell in Deutschland herrscht in diesem Bereich großer Nachholbedarf. Dennoch kann mit dieser Maßnahme die bislang hohe Nachfrage bedient werden, um steigende Mieten mit erheblichem Mehrwert entgegenzutreten. Für den sozialen Wohnungsbau wären zu diesem Zweck laut aktueller Hochrechnungen mehrere hundert Millionen Euro notwendig.
Eine bislang umstrittene Maßnahme wäre das Einfrieren der Mietpreise. Aus juristischer Sicht handelt es sich jedoch um den Eingriff in das Eigentumsrecht, weshalb an dieser Stelle mit Verfassungsklagen zu rechnen ist. Dennoch würde die Mietpreisbremse zunächst für eine deutliche Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen und darüber hinaus das Budget der Mieter mittel- bis langfristig schonen.
Das bringt die Zukunft
Angesichts internationaler Entwicklungen politischer und wirtschaftlicher Natur ist für den deutschen Immobilienmarkt eine Wende in Form von sinkenden Häuserpreisen und steigenden Mieten zu erwarten. Hierzulande sorgen eine schwache Konjunktur, gestiegene Zinsen sowie hohe Baukosten für eine tiefgreifende Trendwende. Ein aktuelles Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis, dass der Immobilienmarkt in eine Abschwungphase eintritt und sich ein neuer Zyklus etabliert.
Eine „Geringere Erschwinglichkeit“ sieht das IW vor allem im Wohnsegment. Eigentum wird angesichts der deutlich gestiegenen Bauzinsen erheblich schwerer erschwinglich. Letztendlich sorgt dieser Umstand für eine Zunahme der Nachfrage bzw. steigende Mieten im Bereich der Mietwohnungen. Die hohe Inflation sowie nach wie vor steigende Nebenkosten sorgen also mit hoher Wahrscheinlichkeit für weiter steigende Mietpreise. Wann mit einer gegenläufigen Entwicklung zu rechnen ist, wagen bislang Wirtschafts- und Immobilienexperten nicht zu prognostizieren.
Auswirkungen auf Wirtschaft und Soziales
Längst ist erkennbar, dass sowohl der Wohnungsmangel als auch stetig ansteigende Mieten Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland regelrecht befeuern. Verschiedene Immobilien- und Sozialverbände kommen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass mehr als eine Million Haushalte in deutschen Großstädten nach Abzug der monatlich anfallenden Miete weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben, als es mit dem Regelsatz von Hartz IV der Fall wäre. Dabei gehen Verbände mit der Politik aus den vergangenen Jahren hart ins Gericht und bemängeln insbesondere zu späte Reaktionen in Form von wirksamen Maßnahmen. Es ist zu erwarten, dass sich das Problem in Zukunft weiter verstärken wird und Haushalte ohne Wohneigentum betrifft. Ab 2030 rechnen Analysten indes mit einer großen Altersarmut.